Fluopyram: BEL leitet Rechtsverfahren gegen Bayer-Pestizid ein

Das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft (BEL) hat kürzlich bei der EU-Kommission einen Antrag auf Überprüfung der Genehmigung des Pestizidwirkstoffs Fluopyram eingereicht. Der umstrittene Wirkstoff erhielt im Dezember 2023 eine sogenannte technische Verlängerung für weitere zwei Jahre. Sollte die Überprüfung ergebnislos bleiben, will das Bündnis vor dem Europäischen Gerichtshof Klage erheben. Denn: Fluopyram ist problematisch für Umwelt, Gesundheit und Bio-Landwirtschaft und muss dringend vom Acker!

 

Warum ist Fluopyram so problematisch?
• Es bestehen seit über zehn Jahren Datenlücken zur hormonschädlichen Wirkung von
Fluopyram auf Fische und Vögel, die bis heute nicht abschließend bewertet wurden.
• Fluopyram verbreitet sich über die Luft und konnte sowohl in der vom BEL initiierten Studie
zur Pestizidbelastung der Luft als auch in weiteren Luftstudien sowie in allen beprobten
europäischen Ländern im Hausstaub nachgewiesen werden.
• Fluopyram gehört zu den PFAS-Stoffen („Ewigkeitschemikalien“). Es ist daher sehr persistent
und verbleibt lange in der Umwelt.
• Eine Studie konnte in allen beprobten deutschen Naturschutzgebieten nachweisen, dass die
dortigen Insekten mit Fluopyram belastet waren. Welche Auswirkungen das auf Insekten hat,
ist noch unklar. Die Belastung der Insekten stellt jedoch auch ein Risiko für insektenfressende
Vögel dar – denn laut EU-Behörde geht von dem Fungizid ein hohes Langzeitrisiko für
insektenfressende Vögel aus.
• Die aktuelle Zulassung stuft das Risiko von Fluopyram für Bodenorganismen als niedrig ein.
Studien belegen jedoch, dass fluopyramhaltige Produkte die Anzahl sowohl von schädlichen
als auch nützlichen Nematoden im Boden verringert und negative Effekte auf
Bodenmikroben hat. Aus diesem Grund wird Fluopyram in einigen Nicht-EU-Ländern auch als
Nematizid (Pestizid gegen Nematoden) verkauft und ist damit definitiv schädlich für
Bodenorganismen.
• Laut aktueller EU-Klassifizierung gilt Fluopyram als nicht krebserregend. In den USA wurde
das Fungizid hingegen 2012 als „wahrscheinlich krebserregend für den Menschen“
eingestuft. Der Verzicht auf die Kategorisierung in Europa basiert auf mangelhaften Studien
und damit verbundenen Argumenten des Herstellers Bayer AG. Das von dem Wirkstoff
ausgehende Krebsrisiko kann auf Basis der aktuellen Studienlage nicht ausgeschlossen
werden.
• Im konventionellen Weinbau kommt es nach Anwendung fluopyramhaltiger Produkte immer
wieder zu Pflanzenschädigungen und Ertragsminderungen – und damit hohen finanziellen
Einbußen für Landwirte. Das sogenannte „Pflanzenschutzmittel“ schadet also auch der
Pflanze, die es eigentlich schützen sollte.
• Fluopyram gefährdet auch die Koexistenz zwischen konventioneller und biologischer
Landwirtschaft – so kommt es durch Abdrift, Ferntransport oder Rückstände im Boden
immer wieder zu Kontaminationen ökologischer Lebensmittel mit Fluopyram.

 

Was ist das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft?
Das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft e.V. (BEL) ist ein Zusammenschluss von Bio-
Unternehmen und zivilgesellschaftlichen Organisationen. 2020 veröffentlichte das Bündnis eine
Studie zur Pestizidbelastung der Luft. Hierbei wurden an 163 Untersuchungsstandorten insgesamt
138 Pestizid-Rückstände und -Abbauprodukte gefunden; an allen Standorten wurde Glyphosat
gefunden. Der Verein initiiert Studien, informiert die Öffentlichkeit und vertritt die Bio-Branche in
politischen Entscheidungsprozessen. www.enkeltauglich.bio

 

Warum geht das BEL zu diesem Zeitpunkt gegen Fluopyram vor?
Ursprünglich wäre die aktuelle Genehmigung im Januar 2024 ausgelaufen. Für eine Erneuerung muss ein Wirkstoff zunächst eine umfassende Risikoprüfung durchlaufen. Da die neue Risikoprüfung
jedoch nicht vor Ablauf der Genehmigung abgeschlossen werden konnte, hat die EU-Kommission im
Dezember 2023 beschlossen, die aktuelle Genehmigung von Fluopyram bis 2026 zu verlängern –
ohne dass eine aktuelle Risikoprüfung nach aktuellem Stand der Wissenschaft vorliegt.
Die Kommission stützt sich dabei auf Art. 17 der EU-Pestizidverordnung. Demnach kann sie eine
eigentlich erloschene Genehmigung bis zur Neugenehmigung verlängern. Dieses Recht nimmt die
EU-Kommission fast routinemäßig in Anspruch. Es ist gängige Praxis, dass Zulassungen von Pestizid-
Wirkstoffen in der EU immer wieder verlängert werden, obwohl die erforderliche Risikoprüfung
noch nicht abgeschlossen ist. Die geltende Rechtslage wird nicht zugunsten des Allgemeinwohls
ausgelegt, sondern offenkundig zugunsten der Pestizidhersteller.
Die Verlängerungsentscheidung von Fluopyram ist in den Augen des BEL rechtswidrig, denn sie
verstößt gegen ein elementares Ziel der europäischen Pestizidverordnung: Nur Wirkstoffe, die nach
aktueller wissenschaftlicher Risikobewertung nachweislich sicher sind, dürfen zugelassen werden
und die Hersteller müssen rechtzeitig und vollständig sämtliche Nachweise für die Unschädlichkeit
ihrer Wirkstoffe einreichen.

 

Was ist der Zeitplan?
Das BEL hat seinen Antrag auf Ü berprüfung am 18.3.2024 bei der EU-Kommission eingereicht, auf
welchen diese innerhalb von 22 Wochen reagieren muss. Eine Antwort wird aktuell demnach bis 8.
Juli, spätestens aber bis Mite August erwartet. Wenn die Genehmigung weiterhin aufrecht erhalten
bleibt, wird das BEL im nächsten Schritt Klage vor dem Europäischen Gerichtshof einreichen.

 

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